Negativemissions­technologien

Expert:innen: Wendy Queen (EPFL), Johannes Tiefenthaler (Neustark)

CO2 ist ein wesentlicher Treiber des Klimawandels. Deshalb hat die Wissenschaft Verfahren entwickelt, um das CO2 aus der Luft abzuscheiden und zu speichern. Schon heute sind solche Anlagen in Betrieb. Allerdings stellen sich Fragen zu deren Wirtschaftlichkeit. Dennoch ist es für das Netto-Null-Ziel von hoher Dringlichkeit, dass Negativemissionstechnologien von Wissenschaft und Wirtschaft vorangetrieben werden. Solche Technologien bieten denn auch Chancen für die Schweizer Wissenschaft und Industrie.

Bild: Neustark

Definition

CO2 ist einer der Haupttreiber für den menschengemachten Klimawandel. Schon heute gibt es Technologien, die das CO2 von Industrieanlagen und Kraftwerken abscheiden – auch bekannt als «Carbon Capture and Storage» (CCS). Andere Ansätze versuchen das CO2 direkt aus der Atmosphärenluft zu filtern, das sogenannte «Direct Air Capture and Storage» (DAC).

Diese Technologien werden Negativemissionstechnologien (NET) genannt. Solche NET fangen bereits ausgestossene Treibhausgasemissionen wieder ein, machen diese sozusagen wett und sorgen so – wie es der Name sagt – für negative Emissionen. NET umfassen biologische, hybride und technische Ansätze. Zu ersteren gehören Wald- und Bodenmanagement, aber auch das Einlagern von Pflanzenkohle. Ein hybrider Ansatz nutzt das Vergären von Pflanzen in Kläranlagen. Das beim Vergären entstehende CO2 wird abgeschieden und gespeichert. Wichtig für alle NET ist, dass das eingefangene CO2 langfristig gespeichert wird. Die Permanenz dieser Speicher hängt von der Art und Weise der Speicherung ab. Während mineralisiertes CO2 in Beton und in anderem Gestein sehr langfristig gespeichert ist und eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit hat, wieder auszutreten, haben andere Speicherformen wie eine umsichtige Bodennutzung, die darauf schaut, dass die Böden mit CO2 gesättigt sind, eine Wirkung von wenigen Jahrzehnten.

NET sind unterdessen ein wichtiger Bestandteil von Klimastrategien. Sie sollen allerdings nicht in Konkurrenz zum Einsparen von Treibhausgasen geraten, sondern unvermeidliche Emissionen, etwa in der Landwirtschaft, bei der Zementproduktion oder aus der Abfallentsorgung, mitigieren.

Heutige und zukünftige Anwendungen

Erste Anlagen, die CO2 von Kraftwerken abscheiden oder aus der Umgebungsluft filtern, sind bereits seit einigen Jahren in Betrieb. Das so abgeschiedene CO2 kann als Dünger oder für Industrieprozesse genutzt oder mit verschiedenen Verfahren eingelagert werden. Das ETH-Spin-off Neustark, das sich auf die Produktion von Zement mit vermindertem CO2-Ausstoss spezialisiert hat, scheidet in einem Pilotprojekt mit der Kläranlage Bern das bei der Methanproduktion entstehende CO2 ab und speichert einen Teil in Recyclingbeton (siehe Beitrag CO2-armer Beton), der andere Teil wird verflüssigt und nach Island verfrachtet, wo es dauerhaft im Boden versenkt wird.

Seit 2021 betreibt Climeworks, ebenfalls ein Schweizer Start-up und Spin-off der ETH Zürich, in Island eine Anlage, die jährlich 4000 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre filtern und dieses gemischt mit Wasser im Boden einlagern kann. Mit dem Nachfolgeprojekt Mammoth soll bis im Jahr 2024 eine Anlage entstehen, die im Jahr 36’000 Tonnen CO2 aus der Luft filtert. Climeworks ist bisher das einzige Unternehmen in der Welt, das eine solche Anlage zu kommerziellen Zwecken betreibt.

Die Schweiz hat sich im Rahmen des Pariser Abkommens verpflichtet, bis 2050 die CO2-Emissionen auf Netto-Null zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die CO2-Emissionen so weit wie möglich eingespart werden. Auch wenn alle vermeidbare Emissionen auf null reduziert werden, wird es noch Bereiche geben, die CO2 produzieren. Dieses CO2 muss dann entweder an der Quelle abgeschieden oder mit DAC-Verfahren aus der Luft gefiltert werden. Der Bundesrat rechnet in seiner 2021 veröffentlichten Strategie zur Erreichung dieses Ziels damit, dass bis dann noch immer rund 12 Millionen Tonnen CO2 im Jahr kompensiert werden müssen. Das Ziel ist, dass bis zu 5 Millionen Tonnen jährlich aus der Atmosphäre gefiltert werden.   

Chancen und Herausforderungen

Je nach Verfahren stellen sich unterschiedliche Fragen. In Bezug auf DAC-Verfahren sind das Fragen zu den verwendeten Ressourcen. Die heute im Einsatz befindlichen Katalysatoren verwenden seltene Erden, die es womöglich nicht in ausreichenden Mengen gibt, um solche Anlagen im grossen Stil weltweit zu betreiben. Für die Wissenschaft eröffnet dies aber auch den Druck, neue Materialien zu entwickeln, die ebenso in der Lage sind, das CO2 aus einem Luftstrom herauszufiltern und zu binden.

Der Betrieb von DAC-Anlagen, die das CO2 aus der Atmosphärenluft filtern, ist heute noch viel zu teuer bzw. der gegenwärtige Marktpreis von CO2-Zertifikaten zu tief, als dass sich solche Verfahren lohnen. Etwas besser stehen Anlagen da, die das CO2 an der Quelle, etwa bei der Zementproduktion oder in Abfallverbrennungsanlagen abscheiden und dann einlagern. Dies liegt mithin daran, dass die Konzentrationen im Abgas um das 200- bis 300-fache höher sind als in der Atmosphärenluft, auch wenn es den Wirkungsgrad der Kraftwerke senkt.

CO2-Emissionen sind heute viel zu günstig. Dementsprechend ist es unabdingbar, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es der Industrie ermöglichen, die Kosten zur Vermeidung und zur Abscheidung von CO2-Emissionen auf ihre Produkte abzuwälzen. Gleichzeitig zeigt das Beispiel Climeworks, dass Investor:innen an das Potenzial solcher NET glauben. In ihrer letzten Finanzierungsrunde hat das Unternehmen 600 Millionen Schweizer Franken gesammelt.

Da die Speicherung von CO2 für Endkund:innen unsichtbar bleibt, ist das Geschäft der NET-Branche ein Vertrauensmarkt. Damit das notwendige Vertrauen aufgebaut werden kann, müssen Audit-Standards, Messverfahren und Zertifikate entwickelt werden, die glaubhaft und nach internationalen Standards darlegen, dass das CO2 auch tatsächlich vermieden oder abgeschieden und eingelagert wird.

Trotz dieser Herausforderungen sind NET unabdingbar, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. In Anbetracht der Grösse solcher Projekte und der Dauer bis solche Anlagen in Betrieb gehen, ist es von grosser Bedeutung, dass CCS- und DAC-Technologien prioritär behandelt und mit Nachdruck vorangetrieben werden.

Die Schweiz eignet sich vermutlich auch in Zukunft nicht, um im grossen Massstab CO2 aus der Luft zu filtern und im Boden zu versenken, dies insbesondere aufgrund der Bodenbeschaffenheit. Allerdings bietet das hiesige Hochschul- und Start-up-Umfeld in diesem Bereich eine vielversprechende Chance für Technologieexporte.

Förderung

Mit EPFL und ETH Zürich ist die Schweiz hervorragend positioniert in diesem Feld, und es gibt, wie die Beispiele Climeworks und Neustark zeigen, einige vielversprechende Projekte mit Schweizer Beteiligung. Auch die grossen Zementhersteller sind in Projekte involviert, die das CO2 aus der Abluft entfernen und wieder einlagern. Neben der monetären Förderung von Forschungsprojekten könnte die Wissenschaft auch von Demonstrations- und Versuchsanlagen profitieren. Dort könnte der Einsatz solcher Technologien im etwas grösseren Stil als im Labormassstab getestet werden.

Weiterführende Literatur

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